Leseprobe 18

                                                                 Der Mensch ist nicht sachlich

Ich vermute einmal, dass in unserer Welt „Sachlichkeit“ genau deshalb so allseits beliebt ist, weil sie "das Soziale", das Denken an und Berücksichtigen des/der Anderen guten Gewissens ausklammern lässt.
Denn De-finieren ist immer auch Aus-schließen.

Und wir sehen es ja schon an der Wendung "Wirtschaft und Soziales", welche mir das geflügelte Wort der Moderne zu sein scheint: Zuerst "Wir wie WIR-tschaft" (oder auch: WIR-Gschaft), und nur, wenn Zeit und Raum und Geld übrigbleibt, dann noch ein "Ihr/Es wie Sozial-ES". - Zumindest die Lautung ist im Bayerischen ja bereits umgesetzt, wie in dem (fiktiven, frei erfundenen, Niemanden ansprechenden, Niemanden kränkenden, von Niemandem geäußerten, noch nicht einmal gedachten) Satz:

"Fei grood, habds ehs ebba aa an Hunga?"   -   "Nicht zu fassen: Seid ihr etwa auch hungrig?"

Aber im Grunde wird allseits gewusst, wenigstens heimlich, dass wir sie gar nicht können – dieses Objektivitäts-Gespenst, diese Wirklichkeits-Schimäre: Sachlichkeit, Real-ität.

Der Himmel weiß es, und alle Welt sollte es auch endlich wissen, dass Menschen

einfach nicht sachlich sind,
nicht einfach sachlich sind,
sach-lich einfach nicht sind!

Menschen sind Schauspieler, sie spielen Sachlichkeit...

Und ich will mich damit trösten, dass ich weiterhin glaube und daran festhalte, dass den Menschen Aufrichtigsein im Wahrnehmen grundsätzlich möglich ist und bleibt, und es scheint mir sogar echt deutsch zu sein; auch wenn ich sie noch nicht wieder finden kann, diese echten Deutschen, die möglicherweise geistesgeschichtlich auf der Strecke geblieben sind, aus welchen Gründen auch immer, wie offensichtlich nicht anders der Geist selbst in der Welt, dem es auch einfach nicht mehr gelingen will, zu den erkalteten oder "sachlich" und "seinsfremd" gewordenen Menschen in ihrer "Realität" durchzudringen, durchzuklingen...

entnommen: Prolog. Oder Ouvertüre

Website-Aufbau
Prolog. Oder Ouvertüre
0. Einleitung
1. Die Philosophie in der Existenzkrise
2. Das Streben nach Erkenntnis
3. ABC-Versuch (einer neuen Wahrnehmung des alten Seins, aus der angenommenen Misere-Situation unserer Gegenwart der Moderne heraus)