2. Das Streben nach Erkenntnis - 1. Überblick

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Ziel dieser Website ist es, nach Erkenntnis zu streben, hierbei neue Erkenntnisse zu gewinnen und diese mitzuteilen

Als Grundthese sei formuliert: Weil das Streben des Menschen nach Erkenntnis immer sogleich auf Gegenstände gerichtet wurde, ist dieses Streben selbst unerkannt geblieben, und damit ist der Erkenntnisprozess in seiner existenziellen Bedeutung in Vergessenheit geraten. Auch die Philosophie ist in Vergessenheit geraten, indem sie meinte, sich selbst wissenschaftlich verhalten zu sollen dadurch, dass sie die Wissenschaften darin imitiert, irgendwelchen Sachen und Sachfragen nachzugehen, anstatt ganz dicht an der menschlichen Existenz dranzubleiben und speziell diese zu bedenken und von hier aus in die Fernen des Kosmos zu gelangen. Genau dies aber wollen wir hier versuchen.

Die menschliche Existenz hat die Besonderheit, dass sie zu jeder Zeit ihre eigene Ursprünglichkeit hat, und so muss es also auch jederzeit möglich sein, zu einer Ursprünglichkeit der Existenz wieder zurückzufinden, egal, in welche Verirrungen, Verblendungen, Verbildungen man selbst in und mit seiner Zeit hineingeraten sein mag.

Diese unsere eigene Ursprünglichkeit soll hier gesucht und wiedergefunden werden, und ob uns das gelingen wird, oder zuletzt gelungen ist, werden wir daran erkennen, ob uns irgendwelche (vielleicht nur selbst gesetzte) Schranken unseres Geistes weggefallen sein werden, so dass wir in eine Freiheit und Tiefe unserer selbst gelangen, von welcher wir niemals dachten, dass sie möglich sein könne. Und wir können sie im vorab als das Ideal eines freien Stehens im Sein bezeichnen, das wir derzeit nicht haben, vielleicht aber doch (wieder) haben könnten?

Inhaltsübersicht / Überblick:

1. Thema dieses Menüpunktes: Das Streben nach Erkenntnis

1. Thema dieses Menüpunktes: Das Streben nach Erkenntnis

Das Thema ist zunächst einmal das Erkenntnisstreben selbst, also die Absicht, Erkenntnis zu erwerben. Und damit soll quasi das Erkennen vor dem Erkennen begonnen werden. Nicht auf Gegenstände (Erkenntnisobjekte) soll zugegangen werden, um diese zu erkennen, sondern das diesem Vorhaben zugrunde liegende Erkenntnisstreben selbst soll von verschiedener Seite her beleuchtet werden, in der Vermutung oder Annahme, eine solche Vorab-Verständigung sei wichtig, damit das Erkennen selbst (und in der Gefolgschaft unsere menschheitliche Großunternehmung in Wissenschaft und Forschung) nicht von vorneherein einen möglichen „Fehler des Sich-selbst-Missverstehens“ mache.

Das scheint überflüssig, denn was sollte man beim bloßen Streben nach Erkenntnis schon falsch machen können? Ist es nicht – ohne Gegenstände - ein gänzlich Inhaltsleeres? Oder trägt es doch schon einigen Inhalt in sich, der nur solange verborgen oder unbewusst in uns ruht, bis wir uns vornehmen, ihn uns bewusst zu machen?

In diesem Abschnitt will ich nur lose sammeln, indem ich einige Dinge oder Sachverhalte ein wenig berühre und dabei zusehe, ob sich nicht in der Berührung Erkenntnismomente auftun, die später vielleicht in einer systematischen Perspektive miteinander verbunden werden könnten.

Erkennen ist zunächst einmal ein Lösen, ein Lösung finden, ein Sich lösen von den Dingen, vom festen Verbunden sein mit ihnen und Festsitzen in ihnen oder auch Verstrickt sein in sie. Diesem ersten Lösen soll dann also ein zweites, neues Verbinden oder Sich verbinden folgen. Und assoziativ mag uns dazu die petrinische Löse- und Bindegewalt einfallen, von welcher die Bibel spricht und die angeblich der Schlüssel zum Himmelreich sein soll? Zunächst jedoch gilt uns die Bibel als ein Märchenbuch, denn eine solche Sichtung hat sich uns geistesgeschichtlich ergeben. Und so wollen wir das Lösen und Binden hier zuerst einmal nur als ein profanes Tun festhalten, das sich durch die Tätigkeit des Erkennens ergibt.

Die Idee, das Erkenntnisstreben selbst zu betrachten, ist auch nicht neu, und wir können auf Kant hinblicken, der (erst) im 18. Jahrhundert, nach ca. 2500 Jahren europäisch-menschheitlicher Erkenntnispraxis, auf die geniale Idee kam zu fragen, ob denn das menschliche Erkenntnisvermögen überhaupt geeignet sei, die Tiefen des Seins auszuloten? Wir lassen sein Ergebnis unseres Nicht-Könnens einmal dahingestellt, werden aber auf ihn noch zurückkommen. Als bemerkenswert können wir aber schon festhalten, dass unser Denken sehr lange gebraucht hat, ehe es die Frage nach seiner eigenen Potenz überhaupt aufwarf…

Grundsätzlich können wir feststellen, dass der Mensch - antik-aristotelisch definiert als animal rationale oder zoon logon echon - zwar mit einem Vermögen oder Können ausgestattet ist, das wir „Denken“ nennen, dass ihm aber für sein irdisches Dasein, in welchem er sich irgendwann einfach vorfand, keine Gebrauchsanleitung des Denkens mitgeliefert wurde. Und so muss er – resp. wir – es einfach einmal praktizieren, als Learning by Doing, und zusehen, wie wir mit diesem unserem Denkvermögen in der Praxis zurechtkommen und was auch immer wir „kreativ“ daraus oder damit hervorbringen können.

Beiläufig halten wir noch fest, dass der Mensch offensichtlich in einer doppelten Praxis steht – seiner Handlungs-Praxis und seiner Denk-Praxis, wobei Letztere in Erster enthalten ist. Und wir können fragen: Weiß der Mensch das? Ist er sich seines Doppel-Handelns bewusst, oder meint er, nur ein einfaches Handeln zu haben, so dass sich sein zweites oder Denk-Handeln (das eigentlich das Erst-Handeln ist) in seinem Unbewussten verliert, in unserer Nichtbeachtung?

Wir können daraus den Schluss ziehen, dass unser Erkenntnisstreben in eine doppelte Richtung gehen sollte, nicht nur vorwärtsgewandt, auf seine Gegenstände zu, sondern auch sozusagen rückwärtsgewandt, in unser Unbewusstes hinein, in welchem – aufgrund des genannten Denk-Handelns - Urteile bestehen könnten, die wir einmal gefällt, aber als unsere Urteile vergessen haben. Und so könnten sie in der Welt nun als scheinbar objektive Sachverhalte bestehen, obwohl sie nur vergessene subjektive Setzungen sind, die wir an die Welt irgendwann einmal herangetragen haben und von denen wir nun glauben, sie gehörten der Welt objektiv an?

Kant selbst spürte in seinem Spätwerk, in seinem Opus Postumum dieser zweiten, umgekehrten Erkenntnisrichtung nach. Und wenn er in seiner Aufklärungs-Zeit formuliert: „Sapere aude“ – „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“ – wörtlicher: „Trau dir Weisheit zu!“ - (vielleicht in Anlehnung an Horaz, 20 v. Chr.), so wollen wir uns dadurch ermutigt fühlen, unser eigenes Denken und Verstehen nun auch tatsächlich einfach einmal zu betätigen, aber zugleich aufmerksam mit zu beobachten, ob und was sich so ergibt, beginnend eben beim Erkenntnisstreben selbst, als würde sich dieses durchaus nicht „von selbst“ verstehen, so dass wir es besser nicht unbeachtet lassen, nicht überspringen, um sogleich zu Gegenständen fortzuschreiten, sondern erst einmal nachfragen, was denn sein grundsätzlicher und allgemeiner Sinn und Zweck sei, mit Fragen wie: Was und warum wollen wir überhaupt erkennen? Wozu soll Erkennen gut sein? Und inwiefern ist es Pflicht oder Kür des Menschen?...

…Denn am Ende liegt darin schon das ganze Rätsel oder Geheimnis der Philosophie und des Seins verborgen...

Dieser Text basiert auf dem Artikel "Sapere aude" (externer Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Sapere_aude) aus der freien Enzyklopädie "Wikipedia" (externer Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hauptseite) und steht unter der Lizenz "Creative Commons CC-BY-SA 4.0"(externer Link: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode.de). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren des Artikels "Sapere aude" verfügbar, dort unter dem Reiter "Versionsgeschichte". Abrufdatum des Artikels: 09.02.2024.

Den Nachweis, dass Kant in seinem Opus Postumum den im Menschen liegenden unbewussten Urteilen nachspürte, evtl. unter der Formulierung "die geheimen Urteile der menschlichen Vernunft", muss ich schuldig bleiben. Die Information habe ich von einem meiner früheren Heidelberger Philosophie-Professoren, Wolfgang Wieland, gegeben in einer Vorlesung (vmtl. über Kant), in den Jahren zwischen 1987-1990 (Internetsuche: Wolfgang Wieland Philosoph). Das Opus Postumum ist zwar online zugänglich (über die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften), aber ich konnte es nur stichprobenartig durchsehen und wurde nicht fündig.

Insofern wissen wir jetzt, wir fangen mit dem Denken auch heute noch quasi bei Null an, und nichts und niemand in unserer Geistesgeschichte hat uns hier irgendetwas voraus, sondern wir alle sind hier ursprünglich gleichgestellt, gleichursprünglich gestellt: Jedes Denken fängt bei Null an, oder: Jedes Denken fängt bei Nichtnull an, also bei sich selbst, in seiner lebensgeschichtlichen Selbst-Formierung.