2. Streben nach Erkenntnis - 7. Umwälzung

7. Eine große geistesgeschichtliche Umwälzung liegt hinter uns

Und diese historische „Umwendung“ unseres Erkenntnisstrebens entsprang nicht gezielt-genialen Forscherideen, aber auch nicht einem methodisch-rationalen Forschungs-Vorsatz, sondern folgte einer großen geistesgeschichtlichen Umwälzung, die uns menschheitsgeschichtlich einfach widerfuhr, sozusagen als „Nötigung unserer Geschichte“, so dass wir hier auch eine unbewusste, unbeabsichtigte Wissenschafts- oder Erkenntnisstrebens-Seite konstatieren müssen.

Allerdings wollen wir offenlassen, ob es sich hierbei um „Glück“ handelte oder doch eher um ein großes Unglück. Denn in ihrer Gefolgschaft verpuffte uns „das Jenseits“, also unser metaphysisch-religiöser Halt, so dass uns nur noch ein „Diesseits“ übriggeblieben ist oder zu sein scheint.

Das statische Weltbild der Antike und des Mittelalters, in welchem sich der Mensch noch gut und fest eingefügt wusste zwischen Himmel und Erde, geriet europäisch-neuzeitlich in vieler Hinsicht und an vielen Stellen in Bewegung. Der Mensch wurde gewissermaßen ausgesteuert aus seinem sicheren und unhinterfragten Stehen im Sein und musste (und wollte) sich ins Werden, in eine Veränderungswelt, in die Geschichtlichkeit und Wandlungsfähigkeit seiner selbst hineinbegeben.

Die Konquistadoren waren Abenteurer, die in der Ferne ihr Glück zu machen hofften, wobei sie sich weniger auf den Segen des Papstes verließen, der sich in dieser „historischen Stunde“ wohl als Schiedsrichter des irdischen Seins fühlte – in Erinnerung an den biblischen Herrschaftsauftrag -, indem er die Welt in zwei Hälften aufteilte, die den Portugiesen bzw. den Spaniern (Kastiliern) zur Jagd und Eroberung freigegeben wurde, nachdem der muslimische mittelmeerische Klammergriff um Europa, der die Europäer ja erst in die "weite Welt" hinausgenötigt hatte, in der Reconquista (722 – 1492) endlich gelöst war, zumindest auf der westlichen Seite, so dass die Jahrhunderte währende Zurückdrängung und Fesselung nunmehr in die gegenteilige, „befreiende“ Bewegung einer „Conquista“ übergehen konnte. Nein, die Konquistadoren setzten mehr auf ihr Schießgewehr.

Dieser Text basiert auf den Artikeln "Vertrag von Tordesillas" (externer Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Tordesillas), "Inter caeterea" (externer Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Inter_caetera), "Islamische Expansion" (externer Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Islamische_Expansion), "Reconquista" (externer Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Reconquista) und "Konquistador" (externer Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Konquistador) aus der freien Enzyklopädie "Wikipedia" (externer Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hauptseite) und steht unter der Lizenz "Creative Commons CC-BY-SA 4.0" (externer Link: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode.de). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren der Artikel "Vertrag von Tordesillas", "Inter caeterea", "Islamische Expansion", "Reconquista" und "Konquistador" verfügbar, dort jeweils unter dem Reiter "Versionsgeschichte". Abrufdatum der Artikel: 09.02.2024.

Unsere Existenz ist heute nämlich ein unstetes Stehen im Werden geworden, während sich das einstmalige feste Stehen im Sein als nur scheinbar erwies und ein für alle Mal verlorengegangen zu sein scheint.

Im Ausgang des Mittelalters erwartete den wissbegierigen, neugierigen, auf das Neue gespannten Europäer also eine Überraschung…

…ein "Ewigkeits-Trauma"!?...

…und das neuzeitlich-modern gewordene Wissenschaftsbedürfnis nach Erkenntnis-Gewissheit und Wissens-Verlässlichkeit mag eine Reaktion darauf oder der unmittelbare geistesgeschichtliche Ausfluss gewesen sein…

…wobei ich nicht sicher bin, ob diese unsere Wissenschaft diese – "heimliche Bedingtheit ihrer selbst“ weiß und anerkennt, oder ob diese in ihrem „Unbewussten“, welches "sie" (also die hinter dem Abstraktum "die Wissenschaft" verborgen wirkenden menschlich-allzumenschlichen Wissenschaftler) nicht zu haben gedenkt...

...ob also diese Bedingtheit ihrer selbst selig in ihr (und ihrer Ratio) ruht?

Näher betrachtet: Mit Beginn der Neuzeit kommt eine ungeheure Dynamik in die Statik der Alten Welt, die wir uns beispielhaft…

– geisteswissenschaftlich, nicht naturwissenschaftlich –

…in Erinnerung rufen können: Geographisch expandierte Europa nach Übersee (und entdeckte hierbei neue Kontinente), kosmologisch wurde das alte, ptolemäische Weltbild überwunden und das kopernikanische Weltbild führte zu einer Relativierung des einstmals hohen und festen Stellenwertes der Erde und des Menschen, und weiter dann zur Beseitigung des „Himmels“ durch die Entgötterung oder Entgeistung der Welt, „theologisch“ führte die (den Glauben bekämpfende) Religionskritik in den Atheismus, psychologisch wandte sich die kosmologische Säkularisierung der Dinge auch nach innen, indem nicht nur „der Gott und seine Geistwelt“ keinen Platz mehr im Universum hatten, sondern auch „der menschliche Gottesglaube“ als „Opium“ unglaubwürdig wurde, was dann in der Entdeckung des Unbewussten nochmals tiefenpsychologisch überboten wurde, so dass am Ende sogar die klar und selbstbewusst auf sich selbst bauende menschliche Vernunft ins Hintertreffen geriet und der Mensch rational-geistig eine Schlappe und Schmähung seiner selbst hinnehmen musste…

…wir sagen besser: hätte hinnehmen müssen. Denn das „animal rationale“ hält ja immer noch „erfolgreich“ an dieser seiner althergekommenen Definition seiner selbst fest, auch in unserer Wissenschaft, die immer noch diese alte Grundlage ihrer selbst hat und haben zu können glaubt?

Die Überzeugung unseres festen, ewigen und schützenden Eingebettet seins in den Kosmos, oder in Kurzform: der Glaube ist uns verloren gegangen. Und hier greift nun ein „Schnitt der Moderne“, der einfach über uns gekommen ist und der zugleich nicht weggeleugnet werden darf, denn diese „umgebende Geistwelt“ ist uns zerstoben, und wir wurden zurückgeworfen auf unser sinnlich-physisches Dasein, indem uns der Eindruck entstand: Es ist gar nichts mit dieser „Geistwelt“, und der Mensch der Antike und des Mittelalters hatte sich selbst nur etwas vorgemacht, hatte sich die „Realität“, in der wir uns heute befinden, nur mythisch-träumerisch-nebulös verdeckt, durch Seelenwolken seines Unaufgeklärt seins, die wir hier und heute allerdings überwunden haben, oder etwa nicht?

Jetzt erst können wir diese große geistige Umwälzung ermessen, die mit uns geistesgeschichtlich passierte, woran auch unsere Wissenschaften einen erheblichen - proaktiven - Anteil haben, besonders in Verbindung mit der Technik, z.B. durch Neuerungen im Schiffbau, Kompass, Fernrohr, Navigation, Elektronenmikroskop, Radioteleskop, Raumfahrt, GPS usw.

Im Verlaufe der (europäischen) Neuzeit ging der Mensch daran, die Physis und Sinnlichkeit zu entdecken und zu erobern. Dieses physisch-sinnliche Ganze betrifft aber nicht nur unseren Globus, unsere Erde, sondern auch unser Sonnensystem und mehr noch prinzipiell alle Sonnensysteme und Galaxien, also den kompletten sinnlichen Raum des Universums. Und daraus ist uns zu Recht der Eindruck entstanden, wir stünden heute an einem „Ende“, indem wir das sinnliche Ganze unseres Stehens im Sein nun sozusagen überblicken können, mehr oder weniger vollständig – und wir sind ratlos…

…allerdings spricht niemand über diese Ratlosigkeit, weil sie durch uns selbst verdeckt wird in unserer allgemeinen Geschäftigkeit. Wir haben keine Zeit mehr, über eine etwaige Ratlosigkeit nachzudenken! Die Betriebe und Unternehmen, ja, die Wirtschaft muss doch am Laufen gehalten werden!? Denn sonst… „wäre alles aus“…

Es wäre doch furchtbar, wenn unsere Handlungs-Praxis einen Aussetzer bekäme und plötzlich ein Loch entstünde, ein Handlungs-Loch, in welchem es nichts mehr zu tun gäbe… so dass ein Denk-Loch entstünde… - ein Handlungs-Loch zum Denken? Oder Denk-Loch zum Handeln?

Nachdenken macht konfus. Lasst uns lieber weiterhandeln…

En passant ist uns der „Himmel“ verloren gegangen, so dass es scheint, es gebe gar keinen „mundus intelligibilis“, kein „Empyreum“ als Wohnort der Götter- oder Engelswelt, sondern nur diesen unendlichen mundus sensibilis, der hier und heute mehr oder weniger offen vor uns liegt, aber gleichsam so, als seien wir an der äußeren Peripherie des Universums geschichtlich gestrandet, herausgekommen in einem blanken, öden Atheismus und Materialismus, in dem es nichts mehr zu hoffen und zu glauben gibt, weil unsere „Realität der Moderne“ ein solches vergangenes Denken nicht mehr seriöser- oder legitimerweise zulassen will und kann.