Wissen ist Ohnmacht - Weisheit wäre Macht gewesen
Blicken wir nochmals an den Anfang „unseres Buches“ (= die
Bibel) zurück. Dort finden wir in Genesis 1 einen
Herrschaftsauftrag an den Menschen erteilt, die Erde zu
bevölkern und zu unterwerfen (Gen. 1,28). Und wenn wir nun –
dem mutmaßlichen „Ende“ entsprechend – innehalten, so können
wir fragen: „Ist hier nicht die europäische Epoche der
Menschheitsgeschichte wie vorweggenommen?“ Dieser
Herrschaftsauftrag scheint heute nämlich erfüllt, auch wenn wir
den Auftrag als solchen aus dem Auge verloren hatten.
Und zugleich sehen wir jetzt, dass wir ihn falsch verstanden
und falsch umgesetzt haben. Denn wir benutzten unser
Wissen für unser Herrschen, und in der anstehenden Klimakatastrophe sehen
wir zugleich unsere Macht und unsere Ohnmacht, unser Können und
unser Nichtkönnen, konkret: unser großes (Schadens-)Wissen
einerseits, und unser noch größeres (Heilungs-)Nichtwissen
anderseits, mit welchem wir in die größeren, wohlgeordneten
Naturzusammenhänge hineinhandeln, hineinexperimentieren,
hineinpfuschen.
Unser Wissen ist „Stückwerk“. Paulus hatte dies bereits in der
Antike richtig erkannt (1 Kor 13,9), nur ist sein Wissen
vereinzelt geblieben und der Allgemeinheit verloren gegangen,
oder aber die Allgemeinheit hat noch 2000 Lern- und
Erfahrungsjahre benötigt, um ihn in diesem seinem
Wissensvorsprung einzuholen?
Die Natur im Ganzen ist kein
Stückwerk, sondern ein gut funktionierendes Räderwerk, nein,
ein lebenerfüllter Organismus, in welchem eins aufs andere
wohlabgestimmt ist. Dieses Gleichgewicht können wir gut
auch „Weisheit der Natur“ nennen. Unser Wissen aber ist nur
stückchenweise eingedrungen in diese lebendige Ordnung, sie
störend und verletzend, und so kennen wir nun die Differenz
zwischen unserem „Wissen“ und der kosmischen „Weisheit“,
ein Unterschied wie „Teil“ und „Ganzes“, der uns nun – zusammen
mit unserer Lebensgrundlage - auch unser Leben kosten
könnte.
Wir können also heute wissen, dass „unsere Wissenschaft“ (im
Verbund mit der Technik, die nur am Einzelnen interessiert ist,
nicht am Ganzen, ebenso wie unsere vielen Pseudo-Wirs) ein
unzulänglicher, inkompetenter, unzureichender, uns selbst
schädigender und womöglich uns gar vernichtender Weg ist, auf
das Ganze des Seins zuzugehen bzw. in es einzudringen, wobei
insbesondere die unwissend-ausprobierende Anwendung, also der
Praxisgebrauch dieses Stückchen-Wissens aufs Geratewohl
hin immer mehr in Frage steht, weshalb heute die
("umkehren wollenden") Warnrufe aus der Wissenschaft
zunehmen.
Er ist fragwürdig geworden, ja, aber praktiziert wird er
dennoch weiterhin, woran sich nun insbesondere zeigt, dass ein
Zusammenhang gesehen und hergestellt werden sollte zwischen
Wissenserwerb und Reifungsprozess des Menschen. Des
Menschen Wissen resp. Machen-Können sollte seinem
Handlungs-Reifegrad angemessen sein – leider ist es nicht
so.
Unsere geistesgeschichtlichen Erfahrungen zusammenfassend,
können wir heute sagen: „Wissen ist Ohnmacht. Weisheit wäre
Macht gewesen. Allein: Wir haben sie nicht gefunden, oder auch:
nicht in sie zurückgefunden.“
entnommen: 3. ABC-Versuch einer neuen
Wahrnehmung des alten Seins, aus der angenommenen
Misere-Situation unserer Gegenwart der Moderne heraus, dort
unter H 20.
H. ABC-VERSUCH
19. Warum
ein „ABC-Versuch“?
20. Der weisheitslose Weg unserer Erforschung
des Universums
21. Sokrates –
Platon – Aristoteles: Das Scheitern einer auf sich selbst
gestellten Suche nach Weisheit
a) Der Sokrates-Weg der
Suche der Weisheit unter den Menschen erwies sich als
unmöglich
b) Der
Platon-Weg der Suche der Weisheit in kosmischen Weiten erwies
sich als unmöglich
c) Der Aristoteles-Weg der Suche der Weisheit im Irdischen
erwies sich als unmöglich
22. Die
Philosophie suchte nach der verlorenen Weisheit, anstatt deren
Verloren sein zu ergründen
23. Die
Weisheit kam von selbst zum Menschen
zurück
24. Europäische
Entkolonialisierung (Genesis 1) und menschheitliche
Entnominalisierung (Genesis 2)
25.
Vom Untergang des wissenden, aber weisheitslos gebliebenen
Menschen
26. Der „Name“ als
äußerliche und innerliche Benennung