Die Doppelung des Geistes ist eine theologische
Erfindung
Und es scheint mir eine Ausflucht bzgl. der Geistproblematik zu
sein, wenn kirchen- und theologiegeschichtlich eine
Unterscheidung zwischen „geistig“ und „geistlich“ eingeführt
wurde, als gäbe es zweierlei Geist im Sein, einen
„bloß“ weltlichen (Sachlichkeit) und einen religiös-geistlichen
(Frömmigkeit). Das ist m.E. Unsinn, eine Pseudo-Unterscheidung,
die entnominalisiert gehört; aber vielleicht ein Unsinn mit
Methode? Denn auf dieser Unterscheidungsgrundlage kann nun eine
„eigenständige Geistlichkeit“ behauptet werden, die sozusagen
ihre „eigene Reinheitssphäre“ bewahrt, indem sie sich von dem
sich in der Welt entwickelnden Geist des Menschen fernhält und
kaum oder unzureichend von ihm Kenntnis nimmt. So ist – über
den Pseudo-Terminus „geistlich“ - eine lebensfremde, abstrakte
und damit in sich unangreifbare „Fadenscheinigkeit
des Geistes“ auf den Weg gebracht, die ganz
bewusst kein fundamentum in der weltgeschichtlichen
res mehr hat und die hier und heute, im Papsttum
der Moderne, Gestalt angenommen hat.
Denn: Wie tritt der Papst heute vor den Menschen auf? Mit der
Geste ausgestreckter Arme, in „göttlicher Einfältigkeit“, was
besagen soll „Kommet her zu mir, alle – zu mir in meiner
Reinigkeit und Harmlosigkeit, in meiner Heiligkeit und
Heilsgeschichtlichkeit, in meiner puren Gottesgefolgschaft“
usw. Wir sehen heute in der römisch-katholischen Kirche unter
ihrer Papstführung ein „Welttheater scheinbarer
Christlichkeit“ aufgeführt. Warum scheinbar?
Weil der Papst sich als Repräsentant der Christlichkeit (und
Stellvertreter Christi) in der Welt gibt. Er führt sein Amt
aus als Repräsentation des Christlichen in der Welt: „Seht
her – so muss man als Christ sein.“
Die Christlichkeit als solche ist hierbei als „gesichert“ schon
vorausgesetzt, gesichert über eine 2000-jährige Tradition, die
als der konkrete Wesenskern der weltgeschichtlichen
res gesehen wird. Alles andere ist (und muss sein)
abstrakter, unwesentlicher Geschichts-Tand. Und deshalb ist es
indiskutabel geworden, diese Tradition und Christlichkeit
anzuzweifeln, ein In-Frage-Stellen verbittet sich, kommt nicht
mehr in Frage. – Dies sei hier „festgestellt“, vor dem
Hintergrund des philosophischen Ausgangspunktes dieses
Gedankenganges in der „Fragwürdigkeit“.
Entsprechend gilt das Augenmerk der (römisch-katholischen)
Christenheit, wenn ein neuer Papst gewählt ist, der Frage, was
denn nun diesen neuen Papst, der ab jetzt die
Christenheit und Christus repräsentieren soll,
individuell auszeichne, z.B. das Reisen (Johannes Paul
II. resp. Karol Wojtyla). Analog wird auch bei der Wahl eines
neuen Bundespräsidenten gefragt, was denn diesen
besonders auszeichne, z.B. das Wandern (Karl
Carstens). Nur: Beim Bundespräsidenten ist die Frage richtig
und am Platz, denn er hat tatsächlich eine ausdrückliche
Repräsentativfunktion. Er repräsentiert den Staat, die Nation.
Genau dafür ist er da, wobei er, aufgrund dieser hoheitlichen
Gesellschaftsstellung, dann auch als Zensor und Sittenwächter
auftreten kann (und soll). Letzteres macht der Papst auch,
indem er hie und da, gerne bei offiziellen Anlässen innerhalb
des Kirchenjahres, verlauten lässt: „Seht her, dieses und jenes
in der Welt ist nicht in Ordnung. Das muss anders werden. Es
ist (noch) nicht christlich.“ Der Papst lenkt die
Aufmerksamkeit auf Dinge, die in der Welt nicht in Ordnung
sind, Dinge anderswo, denn: Bei sich selbst
ist ja alles bestens in der Ordnung, so scheint es.
Welche Art von Ordnung ist das? Eine Verwaltung. Die
(römisch-katholische) Christenheit wird heute päpstlich-kurial
verwaltet.
Anmerkung: Leseprobe 14
ist die Fortsetzung dieses Textes (und Leseprobe 11 ist der
Kontext zu Leseprobe 14).
entnommen: 3. ABC-Versuch
einer neuen Wahrnehmung des alten Seins, aus der angenommenen
Misere-Situation unserer Gegenwart der Moderne heraus, dort
unter I 35.
I. SCHLUSS - Teil
1
27. Im Ende
liegt der Anfang
28. Das Rufen des
Geistes - hindurch durch seinen
Verruf
29. Verschlingung des Anfangs
ins Ende – Bogen-Technik und Lagen-Wechsel der
Bibel
30. Die Musik ertönt, indem
das Instrument „verschwindet“
31.
Das Soziale muss zum Chorgesang
werden
32. Warum ich mein Buch nicht
mehr „ordnungsgemäß“ zu Ende schreiben
kann
33. Das letzte Buch unseres
Buches enthält unseren Geschichtsweg
I. SCHLUSS - Teil 2
34. Die Schlüsselgewalt liegt im
Erkennen
35. Warum verweigert Jesus seinem „Felsen
Petrus“ die Kommunikation?
36. Wird die Petrus-Tradition von den Pforten der Unterwelt
überwältigt werden?